Am 16. Oktober ist die Schauspielerin Tanja von Oertzen im Alter von 70 Jahren in Heidelberg gestorben. Geboren wurde sie 1950 in Moskau. Nach dem Abitur an einem süddeutschen Internat zog es sie auf die Bühne. In Stuttgart studierte sie zunächst Ballett bei John Cranko, dann ging sie an die HMDK, um ins Schauspielfach zu wechseln. Dort lernte sie den 30 Jahre älteren Regisseur Peter Palitzsch kennen, den sie später heiratete. Ihre zahlreichen Engagements führten sie u.a. an das Schauspiel Frankfurt, das Düsseldorfer Schauspielhaus, das Residenztheater München, das Theater Basel und das Berliner Ensemble. Sie spielte von Emilia Galotti bis Prospero viele große Rollen der Weltliteratur und arbeitete mit bedeutenden Regisseuren ihrer Generation wie Wolfgang Engel, Dieter Jendreyko, Hans Neuenfels und Jossi Wieler.
In Lisa Charlotte Friederichs Debütfilm „Live“, den UCM.ONE unter dem Label Artkeim² veröffentlicht, spielte sie ihre letzte Filmrolle. Die Regisseurin hatte zu ihr ein sehr persönliches Verhältnis. Schon als Schülerin hatte Lisa sie in Heidelberg auf der Bühne gesehen und sie eines Abends – als Mutprobe – zusammen mit einer Freundin in einer Kneipe angesprochen. „Ich habe ihr erzählt, dass ich Schauspielerin werden will; sie hat mir damals sehr viel Mut gemacht, indem sie gesagt hat, dass sie sich das bei mir vorstellen kann. Wir sind lose in Kontakt geblieben, und als ich tatsächlich die Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule bestanden habe, waren wir danach ein Bier trinken. Sie wurde dann sogar meine Rollenlehrerin. Ich habe von ihr wahnsinnig viel über den Umgang mit Sprache gelernt. Niemand konnte Hölderlin oder Gottfried Benn so lesen wie sie.“
Der Kontakt riss auch nach der Schauspielschule nicht ab, bei Friederichs Besuchen in der Heidelberger Heimat stand, wann immer möglich, ein gemeinsames Treffen in von Oertzens Stammcafé auf dem Plan. Als die Regisseurin das Drehbuch für „Live“ geschrieben hat, wollte sie ihre Mentorin unbedingt dabei haben und schrieb für sie die Rolle der Offizierin. „Sie hatte zum Glück Lust und hat zugesagt. Der Drehtag mit ihr war ein richtig harter Nachtdreh mit viel Regen. Das muss sehr anstrengend für sie gewesen sein. Sie hatte trotzdem große Lust, weiter mit uns zu arbeiten. Wir haben vor zwei Wochen die Förderzusage für ein Kurzfilmprojekt mit ihr bekommen, das wir zu dritt, also Rike, Tanja und ich, beantragt hatten; da war sie leider schon nicht mehr am Leben. Ich habe sie im September noch gesehen, sie war ein bisschen schwach wie immer, aber ansonsten sehr fröhlich und hatte Lust auf unser Kurzfilmprojekt. Ihr plötzlicher Tod kam sehr unerwartet, und Rike und ich vermissen sie sehr.“
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