Nachdem die beiden Berlin-Filme von Will Tremper „Playgirl“ (1966) und „Flucht nach Berlin“ (1961) schon auf dem Label Darlin Berlin als DVD erschienen sind und bei VoD-Plattformen veröffentlicht wurden, freuen wir uns, dass die beiden Filme ab 01. Mai 2018 nun auch über unsere Kinoverleih wieder in Kinos programmiert werden können.
Playgirl (1966)
Alexandra Borowski, Mitte zwanzig, hochbezahltes Fotomodell der Spitzenklasse, ist eines jener Jet-Set-Girls, welche heute nach New York, morgen auf die Bermudas und übermorgen nach Rom fliegen. Sie bleibt nie lange in einem Hotel, nie lange bei einem Mann. Gerade in Berlin angekommen, bemühen sich bereits zahlreiche junge Männer um Alexandras Gunst: der zwielichtige jugoslawische Lokalbesitzer Bogdan, ein junger Industrieller und der italienische Fotograf Timo. Abendeinladungen, Theaterbesuche, Bummel durch die nächtliche Szene und Partys lösen einander ab.
In Sigbert Lahner begegnet Alexandra jedoch schließlich einem Menschen, bei dem sie – nach einigen Ausbruchsversuchen – vielleicht doch bleiben wird…
Michael Baute in ‚new filmkritik’:
…wie Ulrich Schamonis „Es“ der deutsche Film, der mit seiner Zwanglosigkeit und spontan, ohne festes Drehbuch und mit Minimalbudget entstandenen Szenen den Anspruch der jungen deutschen Autorenfilmer einlöste, temporeiches Kino am Puls der Zeit zu schaffen. Regisseur und Autor Will Tremper (Die endlose Nacht), der ohne Fördergelder produzierte, verlieh seinen Film selbst und errang einen großen Publikumserfolg. Eva Renzi (1944 -2005) wurde über Nacht zum Star. Die Großstadtballade ist eine einzige Liebeserklärung an Berlin.
Bereits seine Eröffnung erinnert mehr an die Nouvelle Vague als an übliche bundesdeutsche Regisseure. Sein chronologisch geraffter Einblick in den Alltag einer Lebefrau bezieht seine Stärke aus der reizvollen Grazie Eva Renzis, die Tremper musisch zu seiner nahezu dokumentarischen Erzählung inspiriert hat.
In Playgirl geht es um eine Frau, die es versteht sich die Männer um den Finger zu wickeln, die sie nach ihren Belieben nimmt. Mit ihrer ungestümen Art, ohne um den heißen Brei zu reden das Ruder in die Hand zu nehmen, verkörpert sie einerseits den Traum der schüchternen maskulinen Seite, die sich wünscht, Bedürfnisse und Zuneigung auf eine so direkte Weise kommunizieren und sich durch das Begehren geschmeichelt fühlen zu können. Gleichwohl aber birgt diese Offensivität einen Konflikt mit den männlichen Ängsten gegenüber anderen den Kürzeren zu ziehen – ein Grund, warum sich das Weib über Jahrhunderte dem Manne Untertan machen musste, weil es im Ursprung nämlich eben an seinem Selbstbewusstsein mangelt.
Als Alexandra gibt Eva Renzi ein um die Welt jettendes Fotomodel, das einer alten Affäre nach Berlin nachreist, um mit Ausreden abgespeist zu werden. Playgirl ist geprägt von einem Weltbild, welches nicht förmlich ausgesprochen doch beinhaltet, dass die männlichen Triebe nach einer altertümlichen Vorstellung entladen werden müssen, während die Frau um ihren Ruf zu fürchten hat. Alexandra scheint durch ihre Lebensart nicht unbedingt benachteiligt, jedoch muss sie ihre Spielposition eben auch in einer Männerwelt suchen, in der sie ein Flirt neben der Verlobten und der Affäre sein kann, wobei sie eigentlich in ihren Experimenten nach einer erfüllten Liebe suchend wirkt. Interessant in diesem Zusammenhang ist ihr spontanes Engagement bei einem Fotografen, der sie herrisch zu seinem Objekt macht und schließlich unerbittlich um ihren Preis feilscht.
In Nuancen nimmt Will Tremper ferner einen alltäglichen Zeitgeist auf, vornehmlich, indem er seine Figuren einfach reden lässt.
So wird die Berliner Mauer für einen amerikanischen Fotografen zu nicht mehr als einem Backdrop und überhaupt scheint es für eine kriegsfremde Generation kaum noch bewusst, welche jüngere Geschichte die geteilte Stadt besitzt. Es wurde mal dort gekämpft, weiß Alexandra, fragt zugleich, wie es denn “mit diesem Hitler” gewesen sei. Naiv wirkt sie, bei ihrem überfürsorglichen Bemühen, ihrem dunkelhäutigen Nachbarn Unterstützung anzubieten, da er ja bestimmt oft benachteiligt würde – was dieser gar nicht nachvollziehen kann. In dieser Situation wirkt sie ungewollt ebenso rassistisch, wie ihr Gesprächspartner an anderer Stelle mit seinen plumpen Äußerungen. Andererseits zeugt ihr Verhalten davon, dass sie eben nicht nur körperliche Liebe zu geben hat.
Flucht nach Berlin (1961)
Der ostdeutsche Bauer Hermann Güden hat von den staatlich angeordneten Schikanen der SED-Oberen genug. Er ist nicht länger bereit, sich der Zwangskollektivierung daheim in seinem sachsen-anhaltischen Dorf zu unterwerfen, da dieser Zustand ihm keine Perspektive mehr bietet. Und so plant er von langer Hand die Flucht in den Westen. Güden schickt zunächst Frau und Kind in den Westen Berlins und will so schnell es geht nachkommen.
Doch die SED-Apparatschiks bekommen Wind von der Sache. Im Eifer des Gefechts verprügelt Güden den Parteigenossen Baade und flieht anschließend.
Der Spiegel schrieb in seiner Kritik vom 29. März 1961: ‚Will Tremper, Drehbuchautor Nasser Asphaltund Skandalchronist (Deutschland, deine Sternchen), versucht sich als Regie-Debütant am Thema DDR. Die Exposition – ein Dorf im Zeichen des Bauernlegens – ist ihm vorzüglich geglückt, und auch später verraten kurze Momente die intime Kenntnis des Produzenten, Autors und Regisseurs von Zonenzuständen und -mentalität. Die Grundzüge der Handlung, die Flucht eines Bauern und eines SED-Funktionärs, sind nach Kintopp-Vorbildern gemodelt, so dass in dem Film schließlich Reißer-Effekte vorherrschen‘.
Filme 1959/61, das Handbuch VI der Katholischen Filmkritik, meinte: ‚Der 1960 gedrehte Film ist ein Zeitdokument von atmosphärischer Dichte. Obschon nicht frei von Verzeichnungen und einer wertmindernden reißerischen Abenteuerlichkeit darf er als sehenswert gelten‘.
Das Lexikon des Internationalen Films (Redaktion Klaus Brüne) befand: ‚Das im Kino selten behandelte Thema ‚Zonenflucht‘, bildwirksam und aufregend dargestellt an Situationen und Einzelschicksalen in der DDR, die sich zwangsläufig miteinander verknüpfen. Ein interessantes Zeitdokument‘.
Mit Will Tremper kommt in den 60er Jahren frischer Wind ins deutsche Filmschaffen. Nachdem der ehemalige die Drehbücher zu den Filmen wie Die Halbstarken (1956) und Nasser Asphalt (1958) verfasst hatte, gab er mit Flucht nach Berlin sein Debüt als Regisseur und unabhängiger Produzent. Wie stets packte der Autodidakt und unabhängiger Produzent Tremper (1928-1989) ein heißes Eisen an.
Die deutsche Teilung und die Flucht vom Osten in den Westen, erzählt im lapidaren Duktus des italienischen Neorealismus. So wenig sein Blick auf die Zustände in der DDR frei von Klischees ist, so wenig romantisch stellt sein Film den Westen dar. Wenn die rasante Fluchtgeschichte schließlich auf dem Wannsee endet, ruft eine betrunkene Blondine nur ‚Es lebe die Freiheit!‘
Während Theodor Kotulla im März 1961 in der Filmkritik lästerte, Flucht nach Berlin sei ‚die kaputteste Missgeburt, die sich der westdeutsche Film im letzten Jahrzehnt geleistet hat‘ lobte die F.A.Z. in ihrem Feuilleton (19.6.1961) den Film als eines der ‚mutigsten Werke der deutschen Nachkriegsproduktionen‘. Vielleicht liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Jahrzehnte später schreibt Norbert Grob in der Süddeutschen Zeitung (19.9.1998): ‘Will Tremper ein Verfechter des Schlagzeilenkinos, ein deutscher Filmemacher in der Tradition der hardboiled-Regisseure, ein Bruder im Geiste der großen Naiven und Rabiaten, von Robert Aldrich, John Sturges und Samuel Fuller‘.
Mehr Informationen über die Filme gibt es auf der Seite für unsere Katalogfilme im Verleih zu finden: Katalogfilme