Trotz Pandemie wird dieses Jahr unter strengen Hygienemaßnahmen im Kommunalen Kino Metropolis (Kleine Theaterstr. 10) in Hamburg feierlich das diesjährige cinefest – XVIII. Internationales Festival des deutschen Film-Erbes eröffnet, welches vom 12. bis 21. November in Hamburg stattfinden. UCM.ONE ist in diesem Jahr wieder als Partner mit dabei. Ab Frühjahr 2022 werden cinefest und UCM.ONE regelmäßig auserlesene Filmperlen veröffentlichen, die im Rahmen des Festivals eine Rolle spielen.

Die diesjährige Überschrift  des Festivals ist “Westwärts. Osteuropäische Filmschaffende in Westeuropa“. In den letzten Jahrzehnten ist – nicht zuletzt durch cinefest – das Schicksal von jüdischen Filmschaffenden aus Ost-Europa, die durch den Rassenwahn der NS-Regierung aus der deutschen Kinematografie ins Exil vertrieben wurden, relativ gut erforscht worden. Darüber hinaus gibt es aber auch zahllose ost- und mitteleuropäische Filmmacher aller Gewerke, die im 20. Jahrhundert in West-Europa gearbeitet haben; ihre Karrieren sind weitaus weniger erforscht. Sie kamen nach politischen Umbrüchen (von der »Oktober-Revolution« bis zum Ende des »Prager Frühlings«), aber auch zur Verbesserung ihrer professionellen Chancen und erlebten dabei höchst unterschiedliche Karrieren zwischen Erfolg und Scheitern.

So kam beispielsweise die Lettin Marija Leiko aus Riga (damals Russisches Reich) nach Deutschland, wo sie als Schauspielerin am Theater und im Stummfilm Karriere machte. Mit dem Ton endete ihre Filmkarriere, und sie kehrte nach Riga zurück. Während des stalinistischen Terrors wurde sie 1938 in Moskau vom NKWD erschossen (1957 rehabilitiert). Ihr Lebensgefährte Janis Guters (Johannes Guter), mit dem sie nach Berlin gekommen war, arbeitete am Theater, bis er 1917 sein Debüt als Filmregisseur gab. Er inszenierte im Weimarer Kino zahlreiche Filme, blieb dann in Nazi-Deutschland und beendete seine Filmkarriere mit einer Serie von »Tran und Helle«-Propaganda-Kurzfilmen. Er starb 1962 in der DDR.

In Zusammenarbeit mit Kollegen aus osteuropäischen Filminstituten und Archiven (z.B. in Prag, Riga und Kiev) sind die Macher von Cinegraph dabei, zahlreiche »gebrochene« Karrieren von Filmschaffenden aus Ost- in West-Europa zu recherchieren und wollen beim cinefest 2021 einen interessanten Querschnitt solcher, weitgehend vergessener Filmschaffender präsentieren.

Die Veranstalter:

CineGraph – Hamburgisches Centrum für Filmforschung e.V. – 1989 entstanden aus der Redaktion des gleichnamigen Lexikons – vermittelt die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen und kulturhistorischen Arbeit durch Kongresse, Retrospektiven, Seminare, Ausstellungen und Publikationen einer filminteressierten Öffentlichkeit und hat sich durch seine Veröffentlichungen und Veranstaltungen international als Fachinstitution etabliert.

Seit 1990 ist das Bundesarchiv-Filmarchiv mit Sitz in Berlin offizieller Mitveranstalter der filmhistorischen CineGraph-Kongresse. Die jahrelange erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Archiv und filmhistorischem Centrum im Rahmen der Kongresse hat die beiden Partner in ihrem Bestreben bestärkt, gemeinsam dem deutschen Film-Erbe eine neue Veranstaltungsreihe zu widmen.

Das Bundesarchiv-Filmarchiv und CineGraph sind Mitglieder des Kinematheksverbunds.

Bisherige Themen beim cinefest:

  • 2004 – Die deutsche Filmkomödie vor 1945 (mit dem Schwerpunkt auf jüdischen Komödianten vor und nach 1933)
  • 2005 – FilmEuropa Babylon. Mehrsprachenversionen der 1930er Jahre in Europa
  • 2006 – Leinen los! Maritimes Kino in Deutschland und Europa 1912–1957
  • 2007 – Film im Herzen Europas. Deutsch-Tschechische Filmbeziehungen im 20. Jahrhundert
  • 2008 – Alles in Scherben !…? Film-Produktion und Propaganda in Europa 1940–1950
  • 2009 – Schatten des Krieges. Innovation und Tradition im europäischen Kino 1940–1950
  • 2010 – cinema trans-alpino. Deutsch-Italienische Filmbeziehungen
  • 2011 – Europas Prärien und Cañons. Western zwischen Sibirien und Atlantik
  • 2012 – Kalter Krieg und Film-Frühling. Das Kino der frühen 1960er Jahre
  • 2013 – Verboten! – Filmzensur in Europa
  • 2014 – Gegen?Öffentlichkeit! – Neue Wege im Dokumentarischen
  • 2015 – Menschen im Hotel. Filmische Begegnungen in begrenzten Räumen
  • 2016 – Gebrochene Sprache – Filmautoren und Schriftsteller des Exils
  • 2017 – Zwischen Revolution und Restauration – Kultur und Politik 1789–1848 im Spiegel des Films
  • 2018 – Meister des Weimarer Kinos – Joe May und das wandernde Bild
  • 2019 – Dr. Seltsam oder: Aus den Wolken kommt das Glück – Film zwischen Politik-Komödie und Gesellschafts-Satire
  • 2020 – Kino, Krieg und Tulpen. Deutsch – Niederländische Filmbeziehungen